Kurzbericht
Prof. Dr. Matthias Jacobs, Bucerius Law School, Hamburg, und Rechtsanwalt Dr. Hauke Rinsdorf, Hamburg (erschienen in NZA-Beilage 2016, 1 ff.).
Die Zuordnung unter den Begriff des Arbeitnehmers (des abhängig beschäftigten Erwerbstätigen) ist nicht nur in Deutschland eine wesentliche Schaltstelle, die über den Zugang zu einer Vielzahl arbeits- und sozialrechtlicher Schutzmechanismen entscheidet. Gleichzeitig bestimmt sie, wie viel Raum für den alternativen Weg einer selbstständigen Erwerbstätigkeit bleibt, die wesentlich durch Eigenverantwortung und Selbstbestimmung geprägt ist. Je nach Perspektive wird eine solche Zuordnung dem einen als Eintrittskarte und dem anderen als Zwangsvergesellschaftung erscheinen. Dabei ist auch das Freiheitsversprechen für das Gemeinwesen nicht kostenlos. Dort, wo es nicht eingelöst werden kann, werden die steuerfinanzierten Systeme der Grundsicherung belastet. Der Arbeitnehmerbegriff bewegt sich nicht nur in diesem sozialpolitischen Kräftedreieck. Er muss sich zudem – um den Preis der Unschärfe in Randbereichen – mit vielgestaltigen Formen der Organisation von Erwerbsarbeit auseinandersetzen, die sich in stetiger Entwicklung befinden. Das ist ein spannendes Umfeld für die Entwicklung von Rechtssätzen, das schließlich auch eine regelungstechnische Herausforderung ist. Es lässt sich doch gut darüber streiten, ob eine durch Rechtswissenschaft begleitete und fundierte Kasuistik vorzugswürdig ist oder ob der Gesetzgeber stärker definitorisch eingreifen sollte.
Die Teilnehmer der 13. Jahrestagung der Arbeitsgruppe Europäisches und Internationales Arbeits- und Sozialrecht (EIAS), die am 19. und 20.2.2016 in Hamburg an der Bucerius Law School in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Arbeitsgerichtsverband eV stattfand, betrachteten die Thematik aus deutscher und europäischer Sicht und im Vergleich mit Polen und Belgien. An Tagesaktualität herrschte dabei kein Mangel, war doch der Referentenentwurf der Bundesregierung zu § 611 a BGB wenige Tage vor Tagungsbeginn in neuer Form veröffentlicht worden.
Die Tagungsleitung lag erneut bei Rechtsanwalt Harald Schliemann, Justizminister des Freistaats Thüringen a. D., vormals Vorsitzender Richter am BAG. Die Moderation übernahmen Dr. Regine Winter, Richterin am BAG, Prof. Dr. Matthias Jacobs, Bucerius Law School, Prof. Dr. Anja Schlewing, Vorsitzende Richterin am BAG, Nicola Behrend, Richterin am BSG, Prof. Dr. Hans-Joachim Bauschke, Hochschule der Bundesagentur für Arbeit, und Stefan Soost, IG Metall, Bezirksleitung Küste.
Diese Beilage enthält die vorgelegten Tagungsbeiträge.
Aus der Sicht des deutschen Arbeitsrechts gibt Prof. Dr. Katharina Uffmann, Ruhr-Universität Bochum, Antworten zu den komplexen Abgrenzungsfragen. Die sozialrechtliche Dimension in Deutschland zeigt der Beitrag von Prof. Dr. Rainer Schlegel, Vizepräsident des BSG, Kassel, auf. In die Diskussion in Belgien führt Prof. Daniël Cuypers, Universität Antwerpen, ein. Prof. Dr. habil. Jacek P. Mecina, Universität Warschau, berichtet über die in Polen verfolgten Lösungsansätze.
Die Teilnehmer der Tagung bekamen darüber hinaus einen Überblick über aktuelle Entwicklungen der Rechtsprechung im europäischen Arbeits- und Sozialrecht von Dr. Claudia Schmidt, Rechtsreferentin und Kabinettschefin am EuGH, Luxemburg. Den europäischen Arbeitnehmerbegriff beleuchtete Dr. Egils Levits, Richter am EuGH, Luxemburg.
Die Tagung schloss mit einer Diskussion mit Podium und Plenum unter Moderation von Prof. Dr. Achim Schunder, Herausgeber und Schriftleiter der NZA, Frankfurt a. M., zum Gesetzentwurf der Bundesregierung. Mit Hans-Peter Viethen, Ministerialdirektor a.D., ehemals Leiter der Abteilung Arbeitsrecht und Arbeitsschutz, BMAS, Berlin, gab der bis zum Juni 2016 zuständige Abteilungsleiter des federführenden Ministeriums Informationen aus erster Hand. Roland Wolf, Geschäftsführer, Abteilungsleiter Arbeitsrecht, BDA, Berlin, und Dr. Marta Böning, Referatsleiterin Individualarbeitsrecht, DGB, Berlin, führten eine bereichernde Kontroverse aus der Sicht der am Gesetzgebungsprozess maßgeblich beteiligten Sozialpartner. Ihnen sei wie allen Mitwirkenden und Teilnehmern für die fundierten und zum Weiterdenken anregenden Beiträge gedankt.
Der Beirat dankt zudem ausdrücklich dem Hamburger Verein für Arbeitsrecht eV und der NZA für die freundliche Unterstützung.